Norddeutsche Sehenswürdigkeit: Das Reetdach

Sonneninsel Usedom Norddeutsche Sehenswürdigkeit: Das Reetdach

Wenn wir an Reetdachhäuser denken, dann entsteht in unseren Köpfen direkt ein Bild von steinigen Küsten, Sandstränden und dem entspannenden Rauschen der Wellen. Welche Tradition hinter dieser besonderen Handwerkskunst steht, erfahrt ihr hier.

  • Luisa Wedemeier
  • 26. April 2024

In Norddeutschland, vor allem in Mecklenburg-Vorpommern sind sie nicht wegzudenken. Häuser, die anstatt Ziegeln Stroh auf ihren Dächern tragen. Das Reetdach gilt als eine der ältesten Dachkonstruktionen der Welt, aber was ist das genau und wo könnt ihr die Reetdächer in natura erleben? Heute schauen wir uns die traditionelle Bauweise der ehemaligen Fischerdörfer ganz genau an.

Was ist ein Reetdach?

Das Reetdach beschreibt ein besonderes Dach aus dem Reet Material. Als Reet wird ein am Ufer wachsendes Schilfrohr bezeichnet, welches zur Familie der Süßgräser gehört. Es kann bis zu fünf Meter hoch wachsen und gilt als wichtiges Schilfrohr, da es zur allgemeinen Wasserqualität beiträgt, indem es Schadstoffe aus dem Wasser filtert. Zur Dachdeckung wird das Reet im getrockneten Zustand verwendet. Wusstet ihr, dass die Reet Dachdeckerei sogar als eine der ältesten Handwerkstechniken in der Architektur gilt? Sie wurde von der UNESCO 2014 als Kulturerbe ausgezeichnet. Reetdachhäuser sind also nicht nur eine spannende Sehenswürdigkeit, sie geben euch auch einen Eindruck von einer jahrealten Tradition.

Optisch strahlen Reetdachhäuser Urlaubsfeeling aus, denn viele verbinden sie direkt mit der salzigen Meeresluft, dem entspannenden Meeresrauschen und kitzelndem Sand zwischen den Zehen. Das getrocknete Schilf auf dem Dach ist das Markenzeichen von vielen nördlichen Küstenregionen in Deutschland, so auch die der Insel Usedom. Die Reetdachhäuser sind nebenbei hübsch anzusehen und prägen ein landschaftliches Bild.

Trend zum Naturellen Stil

Tatsächlich sind Reetdächer mittlerweile auch bei vielen Neubauten beliebt geworden, denn Hausbesitzer entwickeln immer mehr ein Umwelt- und Naturbewusstsein. Auch optisch überzeugt das Reetdach viele Menschen durch den ländlichen Look. Das Image des Reetdaches hat sich heute von einem Dach für ärmere Menschen in einen Hauch von Luxusobjekt umgewandelt.

Durch die steigende Nachfrage kann der Bedarf heutzutage sogar nur noch mit einem kleinen Prozentanteil aus der heimischen Ernte gedeckt werden. Mit Reet aus Asien, Ost- und Südeuropa wird meist der Restbedarf gedeckt.

Die Reetbüschel des Reetdaches werden an Uferregionen gesammelt.
Das Reetmaterial bietet viele natürliche Eigenschaften, die bei der Dachkonstruktion zum Vorteil werden. © Adobe Stock, Gerhard

Warum baut man Dächer aus Reet?

Vom optischen Effekt eines Reetdaches abgesehen, spielt der Nutzen des Daches ebenso eine sehr wichtige Rolle. Ein Reetdach ist stets darauf ausgerichtet, die Feuchtigkeit von außen nicht tief in das Dach eindringen zu lassen und danach eine schnelle Trocknung zu gewährleisten. Außerdem zeichnet sich das Reet durch seine besonders hohe Wasserresistenz und Elastizität aus.

Interessant ist auch, dass die Geschichte des Reetdach Baus bereits bis in die Jungsteinzeit reicht. Nach dem Sesshaft werden haben die Menschen einen Weg gesucht ihre Behausungen möglichst langlebig zu gestalten. Was uns auch schon zur nächsten Frage bringt.

Wie lang hält ein Reetdach?

Bevor wir euch einen Wert nennen, möchten wir darauf hinweisen, dass die Lebensdauer natürlich auch von Faktoren wie der sorgfältigen handwerklichen Ausführung des Baus abhängt. In der Regel beträgt die Lebensdauer von Reetdächern zwischen 25 und 50 Jahre. Je trockener das Dach, desto länger macht es sich bewährt. Es gab auch schon Reetdächer die länger gehalten haben, die richtige Pflege ist hierbei jedoch entscheidend.

Wie funktioniert ein Reetdach?

Ein Reetdach kann traditionell als Kaltdach, also als ein belüftetes Dach mit einer Hinterlüftung oder als Warmdach ohne Hinterlüftung ausgeführt werden. Bei beiden Variationen wirkt die hervorragende Isolationswirkung des Schilfs. Aufgrund der geringen Rohdichte sorgt das Reet für einen guten sommerlichen Wärmeschutz und eine sehr gute Wärmedämmung im Winter. Heutzutage haben sich Reetdächer ihrem Unterbau angepasst und werden normalerweise mit Hinterlüftung als Kaltbau gebaut. Dabei führt die Hinterlüftung, die unter dem Dach entstandene Feuchtigkeit ab und sorgt so für eine längere Lebensdauer des Daches.

Als ein konstruktiver Bautenschutz haben Reetdächer einen großen Dachüberstand von mindestens 50 cm, denn da keine Regenrinne das Regenwasser abführt, tropft es so in einem ausreichenden Abstand zum Mauerwerk des Gebäudes ab und versickert abschließend dann im Kiesbett oder der Erde.

Reet oder Rohr auf Usedom?

Zum typischen Usedomer Inselbild gehören die Reetdachhäuser selbstverständlich auch. Lustigerweise sagt man auf Usedom jedoch nicht Reet, sondern Rohr. Das Wort Reet wird eher im Westen von Deutschland verwendet. Die sogenannten Rohrdächer waren damals eher ein Arme-Leute-Dach. Besonders Fischer und Bauern aus der Usedomer Gegend hätten das Reet bzw. Rohr im Winter auf dem Eis abgeschoben oder mit einer Sichel abgeschnitten und im Frühjahr und Sommer dann auf ihre Dächer gebracht.

Ein Reetdach wird auf der Dachkonstruktion angebracht.
Das Reet wird Schicht für Schicht auf der Dachkonstruktion befestigt. © Adobe Stock, Kalle Kolodziej

Wie wird ein Reetdach gebaut?

Das Reet kann auf verschiedene Arten an ein Dach angebracht werden. Um das getrocknete Schilf auch schön fest am Dach befestigen zu können, bedarf es an handwerklichen Techniken. Wir haben hier für euch drei von den Techniken mal etwas näher beleuchtet.

Technik des Reet Binden

Beim Reet Binden werden die Reet-Büschel mit einem Draht an den Dachlatten befestigt. Dieser Draht wird mit einer Nadel durch die Schilfschicht geführt. Mit einer zweiten Nadel wird der Draht unter der Dachlatte gegriffen und wieder nach oben um die Reetschicht gezogen sowie abschließend die Enden wieder miteinander verknotet. Lage für Lage werden so die verschiedenen Reet-Büschel an der Dachkonstruktion festgebunden. Diese Technik ist etwas einfacher als die anderen Techniken und sehr stabil.

Technik des Reet Verschraubens

In Dänemark wurde die Schraubtechnik erstmalig eingesetzt und dann etwa Anfang der 80er Jahre in Deutschland und Holland eingeführt. Die Technik ist etwas moderner als ein gebundenes Reetdach und ist eine zeitsparende Variante. Beim Verschrauben wird, anders als bei den anderen beiden Techniken, das Reet mit einer vorgefertigten Schraube, um die ein Bindedraht mittig umwickelt ist, mit einem Akkuschrauber von oben durch die Reetschicht an den Dachlatten festgeschraubt.

Technik des Reetdach Nähens

Eine weitere interessante Art der Anbringung von Reetdächern ist das „Nähen” des Reets. Dabei wird das Reet mit einem speziellen Draht an den Dachlatten „festgenäht”. Der Draht wird dabei einmal um die Reetschicht gewickelt und dann von unten wieder durch die Mitte des Reets gezogen. Diese Variante ist sehr zeitaufwendig, ein Vorteil ist jedoch, dass sich mithilfe dieser Technik weniger Metall im Reetdach Aufbau befindet.

Ganz gleich welche Technik beim Reetdach Bau verwendet wird, das Reet wird immer Lage für Lage am Dach befestigt. Für eine besonders hohe Widerstandsfähigkeit müssen die Wurzelenden der Halme sichtbar sein und auf Spannung liegen. Traditionell wird heute noch mit einem Klopfbrett für die richtige Form gesorgt.

Reetdachhäuser auf Usedom.
Reetdachhäuser zählen auf Usedom zu den Kulturdenkmälern. © Adobe Stock, jaz_online

Usedom und seine Reetdachhäuser

Heute gelten, Reet- oder wie man in Mecklenburg sagt Rohrdächer, als lebendige Kulturdenkmäler und sie prägen das norddeutsche Landschaftsbild. Sie gehören mittlerweile zur traditionellen Architektur der Region. Auch auf der Insel Usedom sind die Reetdächer ein wichtiger Bestandteil und weit verbreitet, denn sie gehören zur Geschichte und Kultur der Insel. Wir haben hier einmal 4 Fakten über Usedom und seine Reetdächer für euch zusammengefasst.

Denkmalschutz

Damit die historische Bedeutung der Reetdachhäuser erhalten wird, stehen einige der ältesten Häuser auf Usedom unter Denkmalschutz. Das bedeutet auch, dass die Erhaltungs- und Restaurierungsarbeiten gemäß strengen Richtlinien durchgeführt werden müssen, um die Authentizität der Gebäude vollends zu bewahren.

Nachhaltigkeit

Heutzutage ist die Integration von nachhaltigen Elementen bei der Renovierung und beim Bau von Reetdachhäusern ein wachsender Trend. Beispielsweise kann das die Verwendung von ökologischen Baumaterialien, die Implementierung von energieeffizienten Heizsystemen oder eine Installation von Solaranlagen umfassen.

Tourismusattraktion

Nicht nur für Usedoms Bewohner selbst, sondern auch für die Touristen und Ostseeurlauber sind Reetdachhäuser eine Attraktion. Die rustikale Schönheit der Reetdächer zieht vor allem Menschen an, die einen Besuch von malerischen und charmanten Orten anstreben. Usedom bietet einige Reetdachhäuser als Ferienunterkunft an, um Besuchern die Möglichkeit zu geben, in einem traditionellen Umfeld zu übernachten und die Usedomer Inselkultur hautnah zu erleben.

Kulturelle Veranstaltungen

Rund um das Thema traditionelle Architektur und Lebensweise auf Usedom bietet die Insel zahlreiche Veranstaltungen und Festivals an. Unter anderem werden Führungen durch restaurierte Häuser, Vorführungen traditioneller Handwerkskunst und kulinarische Erlebnisse mit regionalen Spezialitäten angeboten.

Wie ihr sehen könnt, sind die Reetdachhäuser nicht nur ein sehr wichtiger Teil der Geschichte und Kultur von Usedom, sondern auch eine lebendige und sich stetig weiter entwickelnde Tradition, die zukünftig weiterhin Menschen aus aller Welt begeistert.

Welche Vorteile hat ein Reetdach?

Das Reet bietet als Bedeckung des Daches viele interessante Vorteile, denn es sieht nicht nur besonders chic aus, nein es bietet auch ganz funktionale Vorteile. Welche das sind, erfahrt ihr im Folgenden.

  • Ästhetik und traditioneller Charme
    Reetdächer verleihen Gebäuden einen rustikalen und traditionellen Charme. Sie passen besonders gut in ländliche oder historische Umgebungen und prägen seit jeher die norddeutsche Küstenregion.
  • Isolierung
    Das Reet hat natürliche isolierende Eigenschaften, die für eine gute Wärme- und Kälteisolierung sorgen. Ein Reetdachhaus bietet somit im Winter eine Isolierung der Wärme im Inneren des Gebäudes und im Sommer sorgt es für eine angenehme Kühle.
  • Atmungsaktivität
    Das Reet ist atmungsaktiv. Das bedeutet, dass ein Reetdach die Feuchtigkeit aus dem Gebäude ableiten kann und somit für ein gesundes und angenehmes Raumklima sorgt.
  • Langlebigkeit und Widerstandsfähigkeit
    Werden Reetdächer gut und angemessen gepflegt, können sie eine sehr lange Lebensdauer haben. Bei regelmäßiger Wartung und gelegentlicher Reparatur können sie sogar Jahrzehnte halten. Außerdem sind Reetdächer gegenüber Witterungseinflüssen wie Starkregen oder Schnee sehr widerstandsfähig.
  • Schalldämmung
    Reetdächer bieten darüber hinaus auch eine gute Schalldämmung, was bedeutet, dass der Lärm von außen reduziert wird und eine ruhigere Umgebung im Inneren des Gebäudes geschaffen wird.
  • Nachhaltigkeit
    Das waren noch nicht alle Vorteile, denn der wichtigste Punkt folgt jetzt. Reetdächer sind besonders nachhaltig, denn sie bestehen aus einem natürlichen Material, welches aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt wird. Es ist biologisch abbaubar und bietet somit eine geringere Umweltbelastung im Vergleich zu anderen synthetischen Materialien. Beim Reetdach Bau werden auch keine chemischen Zusätze verwendet.

Reetdächer können allerdings im Vergleich zu anderen Dachmaterialien teurer sein, da die Anschaffung und Installation des Reets spezielles Fachwissen und Handwerkskunst erfordert. Auch muss ein Reetdach regelmäßig gewartet und vor Schädlingsbefall geschützt werden. Da das Reet Material leichter entflammbar ist, ist es wichtig entsprechende Brandschutzmaßnahmen zu ergreifen und die Brandgefahr regelmäßig zu überprüfen.

Für alle, die nach einer natürlichen, umweltfreundlichen und ästhetischen Dachlösung suchen bleibt ein Reetdach aber nach wie vor eine gute Wahl. Dazu verleiht es natürlich auch noch seinen ganz eigenen, traditionellen Charme.

Ein Bild der Frontfassade des Zinnowitzer Hofes auf Usedom.
Nach eurer Erkundungstour entspannt ihr ausgiebig in unseren komfortablen Ferienwohnungen im Zinnowitzer Hof.

Die Reetdächer Usedoms bei einem Kurzurlaub erleben

Ihr wisst jetzt, was Reetdächer sind und was für Vor- und Nachteile sie ihren Bewohnern bieten. Bei eurer nächsten Urlaubsreise auf die Insel Usedom könnt ihr das Kulturerbe auch mal in natura erleben. Schlendert doch mal durch Zinnowitz und lasst euch von all den traditionellen Reetdachhäusern verzaubern. An den Ufern auf Usedom erblickt ihr sicherlich auch viele schilfgesäumte Ecken mit dem Reet-Gewächs.

Bei schönem Wetter genießt ihr erholsame Tage am Strand oder ihr werdet aktiv und erkundet die Umgebung auf dem Fahrrad. Damit ihr die Sichtung der Sehenswürdigkeiten Usedoms nicht mit leerem Magen startet, könnt ihr euch im gemütlichen Ambiente im Restaurant Lineti ausführlich stärken. Nach einer ausgiebigen Erlebnistour auf Usedom, taucht ihr ein in eine 800 m2 Welt aus Wasser, Düften und Dämpfen und erlebt pure Entspannung mit unserem Wellnesskonzept im Preussen-Vital-Spa.

Für etwas mehr Privatsphäre und Freiheit bei der Urlaubsgestaltung bieten wir euch im Zinnowitzer Hof familienfreundliche Apartments und Suiten an, die eure individuelle Reise auf die Insel Usedom abrunden. Worauf wartet ihr noch? Lasst euch diesen Ostseeurlaub nicht entgehen!

Wir freuen uns auf euren Besuch!

Beitragsbild: Adobe Stock, AR Pictures

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